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Die Dominanz der Bilder –
oder: Warum überhaupt noch Musik?

Hast du noch Töne – Akustik-Design: Gründe, Probleme und Ziele
 

Ohne Bilder geht gar nichts! Kein Popkonzert ohne Bühnenshow, kein Hit ohne Videoclip, keine CD ohne Cover! Selbst im Bereich der klassischen Musik gewinnt das optische Erscheinungsbild für den kommerziellen Erfolg immer mehr an Bedeutung. Also auch dort, wo es ausschließlich um Musik gehen sollte, gibt oft schon das Auge „den Ton an“. Ausgehend von dieser überall spürbaren Dominanz des Auges, drängt sich rasch die Frage auf, welche Bedeutung der akustischen Wahrnehmung überhaupt noch zukommt. Oder provokant gefragt: Warum wird an der Fachhochschule für Medientechnik und –design mit „Audio“ die Zeit verschwendet?

Wegsehen ist kein Problem, aber Weghören...? Ob wir wollen oder nicht, das Ohr ist bei jeder Wahrnehmung automatisch beteiligt. Mangelhaftes akustisches Design stört auch (oder gerade) dann, wenn es nur unbewusst wahrgenommen wird.
Da ein Großteil der auditiven Wahrnehmung unbewusst erfolgt, ermöglicht gerade der Hörsinn eine vielfältige Beeinflussung menschlichen Verhaltens. Will man nicht völlig ungeschützt möglichen Manipulationen ausgesetzt sein, ist es unumgänglich, sich mit akustischer Gestaltung zu befassen.

 

Multimedia als Herausforderung für die akustische Gestaltung

Das Ohr nimmt Sinnesreize aus allen Richtungen auf und stellt umfassende, ganzheitliche Information bereit. Da Bilder im Gegensatz dazu stets nur Teilansichten liefern können, wird Raumempfinden bei multimedialen Produkten vorrangig über die akustische Ebene vermittelt. Durch selektiven Einsatz von Geräuschen, den Charakter der Schallreflexionen oder die Nachhallzeit, können im Tonstudio beliebige Räume nachgebildet werden.

Musik und Klang eignen sich auch hervorragend, um Emotionen zu wecken! Die Fanfaren vor scheinbar bedeutenden Ereignissen in Sport, Politik und Unterhaltung oder Militärmusik oder Tanzmusik oder Trauermusik etc. sind hierfür recht vertraute Beispiele.
Es ließe sich aber auch die Wissenschaft bemühen: Akustische Sinnesreize werden zuerst in den für Körpergrundfunktionen, Hormonhaushalt und Gefühle zuständigen Hirnteilen verarbeitet und erst dann ins Großhirn zur rationalen Bewertung weitergeleitet. Musik kann daher unmittelbar Emotionen und Körperreaktionen - wie etwa Änderungen von Pulsfrequenz oder Blutdruck  - hervorrufen.

 

 

Technik gegen Design: Wer hat Vorrang?

Die beiden tragenden Säulen im Bereich Multimedia - Technik und Design - erscheinen zunächst eher als gegensätzliche, unvereinbare Pole. In Wahrheit ist freilich das Gegenteil der Fall! Technische Denkmuster und Arbeitsweisen können oft auch im kreativen Fach zielführend sein und umgekehrt. Die Gemeinsamkeiten und Schnittstellen müssen aufgefunden, erklärt, definiert, verstanden werden. Nur wer Technik und Gestaltung als Einheit begreift, kann den vielfältigen Anforderungen der Praxis gerecht werden. Toningenieure haben eben nicht nur die Aufgabe die richtigen Regler am Mischpult zu betätigen, sondern tragen stets auch die Verantwortung für den perfekten Sound und müssen somit die gestalterischen Ziele des gesamten Arrangements durchschauen.
 
 
 

Audioproduktion am PC: Fluch oder Segen?

Auch in der Audioproduktion hat längst der Computer die führende Rolle übernommen. Verschiedenste einfach bedienbare billigst Software-Pakete sind erhältlich, mit denen ohne viel Vorwissen am Heim-PC scheinbar eigene Musik in guter Qualität produziert werden kann: „Hausmusik neu!“ - selbstverständlich eine begrüßenswerte Entwicklung.
Oft blendet aber nur die neue Technik, und die speziellen Features der verwendeten Software beeinflussen das Ergebnis mehr als der eigene kreative Wille. Die Gewöhnung an den alltäglichen akustischen Einheitsbrei ist schon weit fortgeschritten. Differenziertes Hören muss erst wieder erlernt werden. Wurde früher musiziert, so war langjähriges Üben und somit eine intensive Beschäftigung mit der Materie Voraussetzung. Heute liefert eine spezielle Software eine Vielzahl hochwertiger Synthesizer, die ihrerseits wiederum viele komplexe Spielvarianten ermöglichen, jedoch darüber hinaus meist auch quasi von selbst spielen können. Selbstverständlich würden diese Software-Instrumente genauso viele Jahre intensiven Übens voraussetzen. Meist gibt aber schon wenige Monate später wieder anderes, neueres Equipment den Ton an. In vielen Produktionen leider unüberhörbar, droht somit permanent die Gefahr von Oberflächlichkeit und Dilletantismus. Es ist eine durchaus schwierige Herausforderung, die Geräte zu beherrschen, um nicht von diesen beherrscht zu werden.

 
 
 

Audio im Studiengang „Medientechnik und –design“

Begegnen kann man diesen Problemen nur, indem in Technik und Design unabhängig von aktuellen Trends und gängigen Stilen bleibend gültige Grundlagen ausgearbeitet und vermittelt werden.
An der FH in Hagenberg steht ein perfektes digitales Tonstudio und ein PC-Labor mit hochwertiger Audiosoftware zur Verfügung. Neben der Bestellung von Dr. Christoph Schaffer zum FH-Professor für Elektronik, Nachrichtentechnik und Audio wurde die Ausbildung in diesem Fachgebiet nun auch durchgehend ab dem zweiten Semester im Studienplan verankert. Es ist somit sichergestellt, dass die Studierenden, mit solidem technischem Grundwissen ausgestattet, den fachgerechten Umgang mit den Geräten anhand praktischer Übungsaufgaben von Grund auf erlernen. Das rasche Reagieren auf aktuelle Entwicklungen stellt danach kein großes Problem mehr dar. Der kreative Output wird dabei stets hinterfragt, mit verschiedensten Vorbildern verglichen und kontinuierlich verbessert. Und so erstaunlich es vielleicht klingen mag: Viele StudentInnen bringen bereits nach einem Semester praktischer Audioausbildung erste Ergebnisse hervor, die sich durchaus hören lassen können!

 

erschienen in
FHS/konkret April 2000

Zeitschrift des Fachhochschul-trägervereins OÖ
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